Aus „Die Suche nach dem Drachenring“, Ein gefährliches Rennen
Phil strich seinem Apollo, von dem die Farbe mittlerweile vollständig abgeblättert war, über das Dach wie ein Jockey, der seinem Pferd
vor dem Rennen den Hals tätschelt. Dabei stellte er fest, dass die rostbraune Oberfläche seines Wagens mit einer klebrigen durchsichtigen
Schicht überzogen war.
Vielleicht ein spezielles Pflegemittel, dachte Phil, ehe er einstieg und den Apollo mit einer gewissen Genugtuung vor den schwarz glänzenden
Bugatti lenkte.
Der Startschuss fiel und die Wagen setzten sich in Bewegung. Phil hatte einen ausgezeichneten Start und blieb bis zum Fluss an der Spitze. Im Flussbett
hörte er plötzlich einen Knall. Im selben Moment drehte sich der Wagen um seine Achse. Nachdem er zum Stehen gekommen war, sah Phil die
Bescherung - sein rechter Hinterreifen war geplatzt. Er griff nach dem Sender und meldete den Schaden. Währenddessen fuhren die anderen Wagen an
ihm vorbei. Leo wollte anhalten, doch Phil scheuchte ihn weiter.
Innerhalb kürzester Zeit war ein Transporter zur Stelle. Vier Männer in dunkelblauen Anzügen sprangen heraus, bereits mit einem Ersatzrad
in der Hand. In Sekundenschnelle hatten sie das defekte Rad ausgetauscht und Phil konnte seine Fahrt fortsetzen. Allerdings kam er nicht weit.
In der Ferne machte er auf der Betonschiene, die er sich ausgesucht hatte, einen flachen Hügel aus. Vorsorglich wechselte Phil die Spur, doch
plötzlich kam Leben in den Hügel. Zwischen zwei Herzschlägen richtete sich ein Mann mit einem Speer auf. Ohne zu zögern sprang er
in den gelben Wüstensand, dabei versank er bis fast zu den Knien. Mit großen Schritten watete er durch die feinkörnige Masse wie durch
einen Sumpf bis zu der Spur, auf der ihm der Apollo entgegen raste. Phil hatte keine Möglichkeit mehr, ihm auszuweichen. Mit quietschenden
Reifen hielt er an. Der Mann kam um das Auto herum. „Steig aus! Sofort!“, befahl er. Jetzt erkannte Phil ihn – es war Tom. Phil zögerte. Er
wusste, dass Tom ihn nicht mochte. Im Wagen hatte er wenigstens geringen Schutz vor ihm.
Tom riss die Tür auf und hielt ihm die Speerspitze an die Brust. „Los, raus mit dir!“, knurrte er. Phil löste den Sicherheitsgurt und
stieg aus. Tom zerrte ihn beiseite und durchsuchte den Wagen. Dann stieß er den Speer schräg unter den Fahrersitz. Es zischte kurz und
Tom sprang zurück. An der Spitze der Waffe wand sich eine schwarze Schlange mit einem auffälligen gelben Muster auf dem Bauch. Blut tropfte
herunter. „Was ...“
„Erklär ich dir später. Los, weiter!“, herrschte Tom ihn an.
Phil schwang sich wieder in den Wagen. Die restliche Betonstrecke sowie das Kaktusfeld brachte er in Rekordzeit hinter sich. Bevor er das Ende der
schwankenden Brücke erreicht hatte, bemerkte er einen riesigen Schatten, der sich über ihm ausbreitete. Ein knirschendes Geräusch ließ
ihn zusammenzucken - zwei schwarze Krallen hatten sich links und rechts durch die Seitenfenster und das Dach gebohrt. Einen Augenblick später
bemerkte Phil, dass der Abstand zwischen ihm und der Brücke immer größer wurde. Voller Entsetzen wurde ihm bewusst, dass er aufstieg.
Schon bald befand er sich außerhalb des Sicherheitsnetzes. Weit unter ihm brodelte der Fluss.
Einen Moment hing er regungslos in der Luft, dann gab es einen kurzen Ruck und Phil stürzte in die Tiefe. Er schrie, in seinem Kopf rauschte es.
Unfähig sich zu rühren schloss Phil die Augen und wartete auf den Aufprall. Nach endlosen Sekunden stoppte der Flug. Phil blinzelte, ihm
war elend zumute. Auf seinem Trommelfell schienen Nadeln zu tanzen und er hatte das Gefühl, sein Magen sei in den Brustkorb gerutscht. Das Erste,
was er wahrnahm, waren Wasserspritzer an der Scheibe. Phil riss die Fahrertür auf, aber der Gurt hinderte ihn daran heraus zu springen. Mechanisch
griffen seine Finger nach dem Verschluss. Im letzten Moment erkannte Phil, dass der Wagen nicht auf dem Fluss schwamm, sondern darüber hinweg
schwebte. Er schaute nach oben, musste sich jedoch sofort wieder abwenden, weil er stark geblendet wurde. Die Tür krachte gegen einen Felsvorsprung
und schleuderte Phil in seinen Sitz zurück. Benommen blieb er sitzen. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, obwohl ihm klar war, dass er im
Moment keine Kontrolle über den Wagen hatte.
Die schroffen Felswände der Schlucht glitten an ihm vorüber. Bald gewann er wieder an Höhe - die Sprungschanze tauchte auf. Hat es
sich das Monster anders überlegt und will mich lieber auf dem Boden zerschellen lassen? Gerade sah Phil den Bugatti in den Wald mit den variablen
Hindernissen einfahren. Innerhalb der nächsten Sekunden fand er sich nur wenige Meter von den ersten Bäumen entfernt auf der Straße wieder.
Er wagte einen letzten Blick nach oben. Grelles Licht trieb ihm die Tränen in die Augen.
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